Nicht nur bei Instagram, auch überall anders: Wandern bedeutet vor allem spektakuläre Berglandschaften, bizarre Gipfel, türkisfarbene Bergseen unter strahlend blauem Himmel. Und ja, rein aus landschaftlicher Perspektive erscheint die imposante Berglandschaft schöner, als der Ortsrundweg von Pusemuckel.

Wann ist Landschaft schön? Was hat Wandern mit Landschaft zu tun? Ist Bergwandern vor pintoresker Kulisse schöner als, sagen wir mal, auf einem weniger attraktiven Wanderweg? Wie ist es mit der Entspanung? Sorgt „viel“ schöne Landschaft für mehr Entspannung?

Wann ist eine Landschaft schön?

Wer sich damit beschäftigt, was eine Landschaft schön macht, wird keine genauen Antworten erhalten. Dietrich Schulzke schreibt in diesem Artikel, bei dem es eigentlich um Ertragsökonomie geht:Allgemein gültige Definitionen gibt es nicht. Man kann nur allgemeine Aussagen ableiten. Dazu gehört vor allem die Vielfältigkeit. Im Wald werden abwechslungsreiche Wälder unterschiedlichen Alters- und Baumarten- Zusammensetzung bevorzugt. In der Offenlandschaft werden vielfältige Strukturen aus Baumgruppen und Hecken, Wege- und Grabenbepflanzungen mit Sichtachsen im allgemeine als „schön“ empfunden.“

Unsere Landschaft – das ist vor allem Kulturlandschaft. Wildnis und nicht genutzte Landschaft gibt es so gut wie gar nicht mehr. Und interessanterweise sind wir uns einig, was wir als eine schöne Landschaft empfinden. Wissenschaftler wie Rainer Brämer vermuten, dass unser „landschaftsästhetisches Empfinden nur zum Teil dem jeweiligen Lebensumfeld entspringt, zu einem anderen Teil aber durch gewisse archaische Anlagen geprägt ist.“

Brämer hat herausgefunden, eine Landschaft ist vor allem dann schön, wenn Sie recht viele der hier genannten Charakteristika aufweist.

Fehlende menschliche Bebauung

Das Nichtvorhandensein von menschlichen Installationen z. B. Zäune, Schutthalden, Überlandleitungen, auch Windräder und anderen menschlichen Bauten, insbesondere aus Beton und mit gradliniger Architektur.

Natürliche Gewässer

Halbwegs natürlich wirkende Bäche, Flüsse, Wasserfälle, Teiche oder Seen, nicht aber der Kanal oder ein künstlicher See.

Ansprechende Bepflanzung

Besonders offener Baumbewuchs auf wiesenartigem Gelände wird als schön empfunden.

Abwechslungsreiches Landschaftsbild

Alles, was unsere Entdeckerfreude weckt, wie Wege und Pfade durch Wald und Flur oder die mit „viel versprechenden“ Windungen im Horizont verschwinden.

Klare Grenzen mit weichen Konturen

Weiche, geschwungene Linien bei Waldrändern und Uferböschungen ebenso wie für Wege und Bäche. So wirkt der Flussmäander wesentlich schöner, als das mit dem Lineal gezogene Kanalufer.

Schöne Aussicht

Insbesondere in den Bergen sind Wege mit Aussicht sehr beliebt. Wege mit Panorama- oder Aussichtspunkt sind bei Wanderungen beliebt.

Stille, fehlender Zivilisationslärm

Eine Landschaft fern jeder Siedlung, Straße und Einflugschneise, wo man nur noch Naturgeräusche wahrnimmt.

Sauberkeit und Ordnung

Störend werden u.a. auch Naturabfälle und Mengen von Totholz empfunden, wie sie die Forstwirtschaft nach ihren Eingriffen aus vorrangig ökonomischen Gründen oft liegen lässt.

Saubere Luft

Dazu zählen die Frisches des Waldes, aber auch See- und Bergluft oder der Duft trockenen Heus.

Wir sind uns also einig, was wir als schön empfinden. Kein Wunder, dass landschaftlich besonders schöne Wanderziele und Wanderwege stark frequentiert sind. Ich denke da an die Drei Zinnen in Südtirol, aber auch an besonders beliebte Orte in Deutschland, wie Ramsau oder der Königssee in Berchtesgaden, die Kaisertour mit Blick von der Pyramidenspitze oder die Chiemgau-Tour mit Kampenwand u.v.m.

Auf einem hässlichen Wanderweg bist Du dagegen allein

Galerie der hässlichen Landschaft zum seitlichen Durchscrollen, einfach auf den rechten oder linken Rand der Bilder klicken.

Beim Wandern steht für die meisten der Landschaftgenuss im Vordergrund

Wer also raus geht, wandern will, wird sich in erster Linie für eine ästhetische Wanderlandschaft entscheiden. Auch Studien sagen, dass für gut 90 % aller Wanderer der Natur- und Landschaftsgenuss im Vorderung steht. Wer wandert will –  für ein paar Stunden – die zivilisatorische mit der natürlichen Umwelt vertauschen. Dazu gehört auch, dass viele dem allgegenwärtigen Maschinen- und Zivilisationslärm wenigstens für eine kurze Zeit in die Stille der Natur zu entkommen.

Doch nicht überall ist es so schön.

Eine naturnahe Landschaft ohne Überlandleitung, abwechslungsreich, mit spektakulärer Aussicht – wo gibt es das noch? Es gilt also Abstriche zu machen und das Schöne in der nicht-perfekten Landschaft zu finden.

Ode an den hässlichen Wanderweg

Dass Wandern mit einem schönen Landschaftserlebnis zu tun hat, wissen auch Touristiker und andere Experten. So ist es nicht verwunderlich, dass es eigentlich nur „schöne“ Wanderwege gibt. Doch wandern und spazierengehen kann man überall. Dafür bedarf es keiner Kennzeichnung eines Wanderweges.

Ich will sagen, wenn Du Lust hast hinauszugehen, zu wandern oder einfach nur „eine Runde“ zu drehen, dann tu es einfach. Auch ein scheinbar hässlicher Wanderweg kann Genuss bereiten.

Wandererlebnis trotz hässlichem Wanderweg?

Auch ich mag schöne Landschaften und erfreue mich an einer Landschaft, die die oben genannten Kriterien erfüllt. Doch vor allem hier am Bodensee gilt: Je weiter Du Dich vom (schönen) Bodenseeufer entfernst und im Hinterland wanderst, umso weniger Menschen triffst Du. Für mich ein sehr wichtiges Kriterium.

Ich suche mir also bewusst hier am Bodensee weniger spektakuläre Wanderwege, weil ich lieber allein eine weniger perfekte Landschaft genieße, als mich mit anderen Menschen auf einem beliebten Aussichtspunkt, wie der Wilhelmshöhe über Hagenau zu treffen.

Es gibt meiner Ansicht nach zwei Stellschrauben, die aus einem hässlichen Wanderweg ein schönes Erlebnis machen:

1. Es geht weniger um die äußere Wahrnehmung, sondern um das innere Erleben

2. Auch in einer hässlichen Landschaft lassen sich schöne Sinneseindrücke erleben

Und beide Aspekte sind miteinander verbunden.

Wandern mit Innenschau – Es geht um das innere Erleben

Es gibt viele Motive, warum Menschen wandern. Die meisten wollen eine schöne Landschaft genießen. Einige wandern aus sportlichem Interesse. Andere wiederum stellen die gesundheitliche Komponente des Gehens in den Vordergrund, zu der auch Aspekte wie Entspannung und Stressentlastung zählen.

Wer sich auf einen wenig ästhetischen Weg macht und vor allem der Landschaft wegen wandert, wird enttäuscht sein, wenn das Auge über weite (langweilige) Felder streift, Hochspannungsleitungen bis zum Horizont und sogar ein Kraftwerk zu sehen sind.

Wichtig ist, dass Du die Perspektive wechselst. Versuche Dich auf die weniger schöne Landschaft einzustellen und die Rauszeit zu genießen. Aber wie gelingt das?

Damit sind wir beim zweiten Aspekt:

Auch in einer hässlichen Landschaft lassen sich schöne Sinneseindrücke erleben.

Es kommt eben auf Deine Einstellung an. Vielleicht kommst Du an einem schönen Wald vorbei? Oder Du überquerst ganz unerwartet einen kleinen Bach. Am Wegesrand haben Wildkräuter ausgesamt, Kamille und Kornblume haben sich in das Weizenfeld gemogelt. Indem Du Dich auf die schönen Dinge fokussiert, Deinen Verstand darin trainierst, die „wenigen“, schönen Elemente wahrzunehmen, veränderst Du Dein Erleben. Vielleicht sind es dann auch gar nicht mehr wenige Dinge?

Perspektivwechsel: Links Sonnenblume ohne hässliche Bahnlinie, rechts die „Realität“

Wie Du einen Weg mit diesem, neuen Mindset erleben kannst, liest Du hier.

Wenn Du genau hinschaust, wirst Du ÜBERALL etwas Schönes entdecken. Du musst nur lernen es zu sehen. Es liegt an Dir.

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